Den Resonanzraum öffnen


25 Jahre Evidenz – und jetzt?

Ein Gespräch mit den Stiftungsräten Anneka Lohn und Andrea Valdinoci über ihre Erfahrungen und Herausforderungen bei der Stiftungsarbeit und ihre Wünsche für die Zukunft.

Die Stiftung Evidenz ist im letzten Jahr nach Basel gezogen. Fühlen Sie sich schon heimisch?

Andrea Valdinoci: Ja, das war aber auch nicht schwer. Wir kooperieren schon lange mit der Stiftung Edith Maryon und haben viele Projekte gemeinsam bearbeitet, darunter auch das Unternehmen Mitte im Zentrum von Basel. In diesem Gebäude haben nun beide Stiftungen ihre Geschäftsstelle. Darüber hinaus sind wir sehr dankbar, dass Klaudia Agbaba als Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle vor Ort ist und ihre Expertise zur Unterstützung des Stiftungsrates einbringt.

Die Stiftung Evidenz war in ihrer Öffentlichkeitsarbeit bisher eher zurückhaltend. Warum haben Sie sich entschieden, erstmals einen umfangreichen Jahresbericht zu veröffentlichen?

Andrea Valdinoci: Über 25 Jahre Evidenz erscheint uns ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen und Resonanz aus dem Umfeld einzuholen. Mein Eindruck ist, dass wir diesen Schritt nach aussen brauchen, um auch nach innen wachsen zu können.

Gibt es auch Bestrebungen, stärker als bisher selbst initiativ zu werden und nicht nur auf Förderanfragen zu reagieren?

Anneka Lohn: Wir werden voraussichtlich eine Förderstiftung bleiben. Hin und wieder gibt es aber Themen, bei denen wir einen stärkeren inhaltlichen Beitrag leisten können und auch möchten.

Andrea Valdinoci: Ein gutes Beispiel ist die neue Initiative ›Lernwerkstatt Wirtschaft – ökonomische Bildung an Schulen‹. Darin können wir aus einer übergeordneten Perspektive mit den Beteiligten ein tragfähiges Konzept entwickeln, das Schülerinnen und Schülern den Zugang zu diesem wichtigen Thema ermöglicht.

Sie verstehen die Stiftung als Membran für wichtige Zeitfragen. Inwiefern gelingt es Ihnen dabei, auch über das anthroposophische Umfeld hinaus zu wirken?

Anneka Lohn: Wir wollen Grundwerte der Menschlichkeit und Spiritualität auch für die Zukunft pflegen und anregen. Die gegenwärtige Lage der Menschheit braucht überall, unabhängig vom Umfeld und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, zukunftsfähiges Handeln. Da sollte eine sogenannte anthroposophische Stiftung die Nase vorne haben und ein Gespür für das Wesentliche entwickeln. Natürlich finden viele Menschen aus dem anthroposophischen Umfeld zu uns – und das ist gut so. Gleichzeitig liegt die Aufgabe darin, das Wesentliche eines Projektes an sich zu erkennen. Da sind wir auf einem guten Weg.

Andrea Valdinoci: Ich erlebe bei der Stiftung Evidenz Offenheit und die Bereitschaft, genau hinzuschauen. Wichtig finde ich, deutlich zu machen, warum wir etwas tun – oder auch nicht. So entsteht Transparenz, an der man sich manchmal reiben und dann auch besser kennenlernen kann.

 

Anneka Lohn: Im Kontakt mit jungen Leuten erfahre ich häufig, dass sie tiefes Interesse an den inhaltlichen Fragen haben, die uns als anthroposophische Stiftung bewegen – aber nur die wenigsten wollen sich mit der Vokabel ›Anthroposophie‹ auseinandersetzen. Eine Herausforderung sehe ich deshalb darin, wie wir unsere Themen benennen, wie wir angemessene Worte finden, mit denen wir zum Ausdruck bringen, was uns wichtig ist.

Nicht alle Initiativen und Projekte entfalten die erhoffte Wirkung. Wo sehen Sie neuralgische Punkte, von denen Gelingen oder Scheitern abhängen können?

Andrea Valdinoci: Wir haben natürlich gewisse Parameter, schauen zum Beispiel auf die Zahlen in der Projektplanung. Wenn wir da schon den Eindruck haben, das passt nicht, gibt es ein Nachhaken oder eben auch eine Absage. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage der Vernetzung. Ist da jemand ganz allein mit seinem Vorhaben, oder hat er oder sie sich schon im Umfeld umgeschaut? Manchmal können wir dann auch helfen und Kontakte vermitteln. Ein dritter Punkt ist die Frage: Passt das zu uns, sind wir die Richtigen? Wir versuchen, eine Balance zwischen materiellen Fragen wie der Wirtschaftlichkeit und eher immateriellen Themen zu halten. Es gibt Dinge, die heute zwar nicht messbar sind, aber trotzdem eine Wirkung haben. Manche Initiativen zeigen z.B. erst nach einigen Jahren erste sichtbare Erfolge, da ist also Ausdauer gefragt. Andere Projekte scheitern – doch auch daran können alle Beteiligten meistens etwas lernen.

Welche Themen möchten Sie zukünftig stärker bewegen?

Anneka Lohn: Wirtschaftliche Prozesse spielen in unserer Gesellschaft, aber auch ganz konkret im alltäglichen Leben jedes Einzelnen eine zentrale Rolle. Wie können junge Menschen bereits in der Schule Orientierung und Anregungen erhalten, um diese Zusammenhänge besser durchschauen und unternehmerische Initiative entwickeln zu können? Dieser Frage geht die schon erwähnte Lernwerkstatt Wirtschaft nach. Bei der Suche nach fruchtbaren Formaten der ökonomischen Bildung will sie mit einem kompetenten Netzwerk mit Menschen aus Unternehmen, verschiedenen Stiftungen und dem Bildungsbereich zusammenarbeiten und Best-Practice-Beispiele dokumentieren, um daraus Handreichungen für die Schulen zu entwickeln. Auf diesem Gebiet möchten wir mit weiteren Partnern Impulse setzen.

In der Einleitung zu diesem Jahresbericht sprechen Sie davon, den Resonanzraum zu vergrössern – wen laden Sie dazu ein?

Andrea Valdinoci: Wir möchten als Stiftung noch stärker als bisher mit vielen verschiedenen Menschen in einen Dialog treten, um eine nachhaltige Wirkung für das Gemeinwohl zu erreichen: mit Projektpartnerinnen und -partnern ebenso wie mit Menschen, die spenden oder zustiften möchten. Die Evidenz bildet seit 25 Jahren Brücken zwischen Menschen, die z.B. die Arbeit des Goetheanums mit eigenen Schwerpunkten unterstützen wollen, und den weltweit tätigen anthroposophischen Initiativen. Diese Vermittlungsarbeit möchten wir intensivieren und suchen dafür weitere Zustiftungen.

Die Fragen stellte Laura Krautkrämer.